Montag, 15. April 2024

Ein Versteck für Michelangelo

 1530: Michelangelo Buonarroti, der die florentinische Republik unterstützt hatte, fürchtete sich vor der Rückergreifung der Macht der Familie Medici.

Er wurde irgendwo in der Kirche San Lorenzo versteckt. Das hat man lange gewusst, nur wusste man nicht, wo der Versteck ist.

In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckte man aus reinem Zufall einen kleinen unterirdischen Raum , der unter den Medici Kapellen lag. Der Raum war klein und schmutzig, aber man versuchte trotzdem, den Putz an den Wänden zu entfernen. Was war die Verblüffung, als man Kohlezeichnungen entdeckte.



Es wurde ziemlich klar, dass der Raum, wo Michelangelo einige Monate versteckt verbrachte, dieser Raum war. Die Zeichnungen sind verschieden, in manchen Fällen nur sehr grobe Entwürfe.

Doch die Hand des Künstlers kann man sehr gut erkennen.


Ja, man kann den heimlichen Raum (la stanza segreta) besichtigen. Die Gruppen sind winzig, kaum 4 Personen. Die Zeit, die man zur Verfügung hat, knapp 30 Minuten.
Aber der Reiz von diesen Skizzen ist unbeschreibbar.

Einige Figuren sind Studien von den, die in der Sistina Kapelle zu bewundern sind.
Die Beine mit Schienbeinschützer sind zweifellos diejenige von der Statue Lorenzo, in der Kapelle in der oberen Etage.



Der Besuch lohnt sich 100%.
Es muss im voraus gebucht werden.

Samstag, 6. April 2024

Rationalistische Architektur in Florenz

Mitten im Park Le Cascine - dem grössten Stadtpark - liegen einige Gebäude aus Backstein. Stacheldraht trennt die Gebäude von der Strasse.
In den Gebäuden fand die Luftwaffe Italiens zur Zeit des Faschismus ihren Sitz.
Heute sind die Gebäude immer noch eine militärische Hochschule fürs Flugwesen.
Hier darf man normalerweise nicht eintreten; manchmal werden hier aber Theatrestücke dargestellt oder Veranstaltungen organisiert: es ist die Gelegenheit, um diese unglaublich schöne Schule zu besichtigen.

Die Gebäude hat man zwischen 1938 und 1939 erbauen lassen. Rationalistische Architektur gehört zum Faschismus.
In unseren italienischen Städten sind noch viele Vorbilder von diesem Stil, dem ersten authentisch modernen Stil - wenn nicht ganze Städte (Sabaudia oder Guidonia, im Latium): in Florenz haben wir zum Beispiel den Hauptbahnhof Santa Maria Novella oder das Fussballstadion Franchi.

Faschismus war politisch und sozial sehr schlecht und führte uns zum Zweiten Weltkrieg; aber der Stil der Zeit, der sog. rationalistische Stil gefällt mir sehr. 
Es riecht nach Modernität, es dringt an die Offentlichkeit die Zuversicht auf die Zukunft - was wir jetzt nicht mehr haben.

Bei der Hochschule fürs Flugwesen  heisst der Architekt Raffaello Fagnoni.
Er war ein Florentiner, 1966 gestorben. An diesem Projekt arbeitete er eifrig, plante alles innerhalb drei Monaten, liess alles (insgesamt 5 Gebäude + Sportanlagen und Park) in 11 Monaten aufbauen.

Die Kaserne ist nicht nur modern, elegant und schlicht: ich mag auch die extreme Achtsamkeit für Dekoration und Zubehör. Nicht nur Architektur sondern auch Details, Material, Linien.

Einige Beispiele:
Aula Magna mit extra-entworfenen Stühlen.
Türen mit Dekorationen und Türklinken, die wie Flügel aussehen.
Mosaik-verzierte Halle mit blumenformigen Glaslampen.
Alles perfekt, alles elegant. Wie bei dem Jugendstil, aber im Gegenteil zu dem geradelinig, essentiell, rein. Manche könnten meinen: kalt.

Mir gefällt es unheimlich. Architektur, wie es danach nicht mehr gegeben hat.
Ein paar Bilder von den Gebäuden und den Details.
Enjoy!











Dienstag, 2. April 2024

Der Vasari -Korridor

Sie hatten vor, nach Florenz zu fahren, weil Sie von diesem berühmten Korridor gehört bzw. gelesen haben.

Viele Zeitungsartikeln erzählen von dieser geheimen Passage, die Cosimo der 1. der Medici von Giorgio Vasari errichten liess. 
Der Korridor ist zur Zeit geschlossen, aber wichtige Neuigkeiten kommen bald.

Das höchstbegehrte Besuchsziel der Stadt steht unter völligen Renovierungen und neuer Gestaltung und er bereitet sich auf eine prächtige - und völlig öffentliche  Zukunft vor.

Der ehemalige deutsche Direktor der Galerie, Eike Schmidt, jetzt Kandidat als Bürgemeister der Stadt, hat daran gearbeitet, den Korridor als Teil der  Besichtigung der Uffizien anzubieten. 
Sein Amt ist jetzt vorbei und der Korridor ist noch nicht für alle geöffnet. 

Vorher durfte man den Korridor nur mit einer Begleitung besuchen; der Preis war sehr hoch und die Termine waren knapp. 
In der Neugestaltung soll viel anders sein:
in dem 800 Meter langen Korridor sind alle Selbstporträts (von vielen vielen Malern und Malerinnen, sowohl von der Vergangenheit als auch von unserer Zeit) entfernt worden.

Man hat Sicherheitsnormen an Ort und Stelle gesetzt. Die 72 Fenster auf der Stadt haben neue Fensterrahmen.

Irgendwann wird es möglich sein, die Besichtigung des Korridors als "normale" Eintrittskarte zu kaufen d.h. von den Uffizien die ganze Strecke zu laufen bis Giardino di Boboli oder sogar Palazzo Pitti. Man spricht auch von einem Preis von 45 Euro (aber ich warte auf die öffentlichen Pressemitteilungen.)

So wird es aussehen

der Vasari-Korridor 

Vertrauen Sie nicht die vielen Artikeln - viele online zu finden -  die vom Korridor als Must see der Stadt handeln: es ist nur schlechter Journalismus, weil sie falsch informieren. Im Moment ist der Besuch unmöglich aber bald wird er doch möglich bzw. normal.

Unten links ist die kleine Tür, die vom Korridor in die Boboli Gärten führt. 




Montag, 25. März 2024

Alles, was typisch Italienisch aussieht, es aber nicht ist

Florenz ist eine touristische Stadt und ein beliebtes Reiseziel.

Die Gefahr, die eine solche Destination läuft, ist, dass die Stadt sich so darstellt, wie der Tourist  erwartet; das führt zum Verlust der Seele.

Ich meine, es gibt für jedes fremde Land eine Vorstellung, die nur im Gehirn des Reisenden existiert. Das Problem kommt dann, wenn die Stadt sich an diesen Erwartungen anpasst.

Ich möchte daher ein kleines Verzeichnis von typischen Situationen angeben, die gar nicht typisch sind und die man vermeiden sollte, wenn man als Tourist/in hier ist.

Rot-weiss-karierte Tischdecke - die meisten Restaurants für Touristen haben solche Tischdecken, die als typisch Italienisch gelten. Ich habe keine einzige in meinem ganzen Leben gehabt und kann mich an kein Abendessen bei Freunden erinnern, wo der Tisch so bedeckt war. Deshalb verabscheue ich solche Restaurants - und es gibt viele.

Spaghetti bolognese - diese Platte existiert nur in Menus für Touristen. Die Sosse ragù ist eine der beliebsten Sossen, die man mit Nudeln isst (die zwei anderen sind pesto und pomarola). Ragù kocht man mit Tomaten und Hackfleisch; ragù essen wir mit spaghetti, tagliatelle, lasagne, cannelloni, ravioli usw. Daher sollte man eher spaghetti al ragù bestellen.

Berge Eis - viele Eisdielen in der Innenstadt zeigen echte Berge oder Haufen Eis, dessen Qualität sicher sehr schlecht ist. Wie schon erwähnt, geht es um natürliche und gut hochwertige Rohstoffe und nicht um die Menge des gelato. Zum Thema Eis bitte diese Seite lesen.


Coffee to go - das ist keine Vorstellung sondern eine schlimme Gewohnheit, die aus den USA stammt. Der italienische caffè - espresso - ist nicht zum Mitnehmen, einfach weil er zu kurz ist. Man trinkt in einem Schluck und an der Theke. Der Becher ist keine Wegwerftasse sondern eine Tasse aus Keramik; das ist nicht nur typisch sondern auch nachhaltig. Aus diesem Grund lassen Sie coffee to go aus! Trinken Sie italienisch!





Donnerstag, 7. März 2024

Ostern und Florenz (und die Florentiner)

Italien hat viele Ostertraditionen aber hier in Florenz haben wir nur ein Ereignis am Ostersonntag.
Der Osterkarren, der durch die ganze Innenstadt von einigen Ochsen geführt wird, kommt auf den Domplatz während der Osternmesse und wird "angezündet" sodass er knallt: auf Italienisch Scoppio del carro.
Rasendes Bollwerk, ein grosses Feuerwerk ereignet sich am Karren; das Bollwerk wird von  einer Lunte in Form einer Taube angezündet. Die Lunte "fliegt" direkt hin - und zurück vom Inneren des Doms zum Platz.

Die Leute stehen dicht gedrängt auf dem Domplatz und schauen bewundert zu.



Ich muss zugestehen, dass ich die Zeremonie des Karrens nie gesehen haben: die Touristen lieben sie, die Florentiner auch, obwohl sie zu dieser Zeit auch gerne wegfahren und oft nehme ich mir ein paar Tage Urlaub.

Ostern bedeutet auch, dass wir den Winter hinter uns haben.
Denn endlich ist es wärmer und die Tage sind länger und wir erblicken schon den Sommer.

Der kurze Film stammt aus einem Kollegen, Massimo Piccini



Und jetzt zum Thema essen:
Die grossen Schokoladeneier in den Schaufenstern sind den Kindern gewidmet. Im Inneren verbergen sie eine Uberraschung, ein kleines Geschenk.

Als Dessert wird an Ostern die colomba gegessen: weicher und wohlriechender Kuchen in Form einer Taube. Colomba kann man beim Konditor oder im Supermarkt kaufen : Preis und Qualität sind natürlich verschieden.
Oder man kann sie selber backen, wie ich jedes Jahr mache.
Das ist meine colomba von letztem Jahr.

Frohe Ostern! Buona Pasqua!
meine selbstgebackene Colomba



Schockoladeneier bei Gilli, in der Innenstadt


Mittwoch, 6. März 2024

Museo di Orsanmichele: ein Museum mit Aussischt

Kein neues Museum aber ein Museum zu entdecken: Orsanmichele ist völlig renoviert und extrem sehenswert.

Das grosse, quadratische Gebäude steht im Herzen der Stadt, zwischen piazza Duomo und piazza della Signoria. Millionen Touristen flanieren da vorne.

Orsanmichele (der Name kann als St. Michael's Garten übersetzt werden) ist eigentlich eine Kirche, die aber ursprünglich ein Getreidespeicher war. Ein riesiger Speicher und sehr hoch, direkt aus dem Mittelalter.

Die Fassade und die Innenräume sind gotisch gestaltet. Die Kirche liegt im Erdgeschoss und beherbergt das prächtige Tabernakel von Andrea Orcagna - wobei Andrea auf Italienisch ein männlicher Name ist!



Das Museum liegt im 1. und im letzten Stockwerk und es ist das grosse Wunder!
Gotische Säle und die riesigen Statuen, die die Fassade schmückten, jede Gilde eine Statue und alle von den grössten Bildhauern der Zeit.



Gilde heisst auf Italienisch arte und der Palast, durch den man das Museum erreicht heisst Palazzo dell'arte della lana oder die Gilde der Wollhändler.

Als ich vorgestern das Museum besichtigt habe war ich vollkommen alleine. Im letzten Stockwerk geniesst man eine atemberaubende Aussicht auf Florenz.
Unbedingt zu empfehelen!




Montag, 19. Februar 2024

Schönheit und Archäologie im Frühling

Die Jahreszeit, die ich am liebsten habe, ist Frühling (und nicht nur weil  ich Anfang Mai geboren wurde): Frühling bedeutet Erwachen (Wedekind docet) Ausbruch des Lebens und Farbe!
Die Gärten und Parks der Stadt sind prächtig.

Nehmen wir als Beispiel den Garten vom Museum Archeologico in via della Condotta (eine Beschreibung hier).
Dieser schmale Garten, der fast immer zu ist, wird in diesen Wochen eine Oase von Schönheit und Farbe. Zwei grosse Magnolien, die eine weiss, die andere rosa, blühen.



Ein tüchtiger Gärtner pflegt Beeten und Zwiebelgewächse wie Hyazinthen, Tulpen und Trompeten.
Der Rasen ist zartgrün, die alten Bäume schenken Schatten.



Im Garten sind auch einige etruskische Gräber, nur ein Grab kann man besichtigen. Sie wurden aus ihren originellen Sitzen entfernt und hierher gebracht.




Der Besuch lohnt sich, glauben Sie mir!

Ein Versteck für Michelangelo

 1530: Michelangelo Buonarroti , der die florentinische Republik unterstützt hatte, fürchtete sich vor der Rückergreifung der Macht der Fami...